Archiv der Kategorie: Wanderrudern

Rudi Meister

Hommage an Rudi Meister

Rudi Meister

Rudi Meister

Von Rüdiger Mohrstedt

Rudi Meister plant und organisiert seit über 20 Jahren Wanderfahrten in Deutschland und Europa; „Rudi’s Ruder-Reisen“, abgekürzt „RRR“, sind hierfür ein Synonym. Seine Planung war und ist immer perfekt, sowohl hinsichtlich Routen, Kartenmaterial, Zeiten, Unterkunft als auch Mannschaftseinteilung. Rudergefährten sind bzw. waren meist: H.-D. Gerdum, P. Lipphardt, W. Reukauf, K.-H. Saur, R. Mohrstedt, We. Kretschmer, G. Leben und früher Manfred Striegel sel. sowie Dr. Volker Freudenberg sel. Eine besondere Vorliebe hegt er für die französischen Gewässer. Die Planung für 2011 steht bereits: Befahrung der SAÔNE, von Scey sur Saône bis Lyon.  Als Dank für die uns gegenüber geleisteten wertvollen Arbeiten schenken wir ihm und uns allen diesen Bericht einer vor 12 Jahren (1999) durchgeführten Ruderreise.

Charante und Sèvre Niortaise

1. Die Charante: von Angoulême nach Rochefort

Nach Angoulême gelangt man mit einem kleinen Umweg über Chartres: Die Kathedrale aus dem 11. bis 13. Jahrhundert, UNESCO Weltkulturerbe, zog uns magisch an. Unser Crew-Historiker erklärte uns die grandiose Fassade, die besondere kunsthistorische Bedeutung der Basilika, ihre bedeutenden frühgotischen Kirchenfenster. In Angoulême, dem antiken Iculisma, erreichten wir die Charante, Heimat des Cognac. Die friedliche Charante, oft als malerischster Fluss Frankreichs bezeichnet und sicherlich eines der schönsten Ruder-Reviere Europas, bescherte uns 170 schiffbare Kilometer nach Rochefort, an ihrer Mündung in den Atlantik. Sie entspringt im Limousin und durchfließt zwischen Angoulême und Rochefort gemächlich die überwiegend ländlichen Gegenden mit Schlössern, Burgen und alten Mühlen. Weinberge und idyllische Marktflecken sowie Kleinstädte wie Jarnac, Cognac, Saintes prägen die Region. Wir kamen nicht umhin, deren Spitzenprodukte, Cognac und Pineau, eingehender Qualitätsprüfungen zu unterziehen.

In den meisten von der Charante und der Sèvre durchflossenen Ortschaften gibt es gute Anlegemöglichkeiten, so dass es für die Boots- und Busbesatzungen dieses Mal kein Problem war, einander zum Déjeuner zu treffen. Von der Bevölkerung wurden wir überall freundlich begrüßt, z.B. von den Bewohnern des ehemaligen Schleusenwärter-Häuschens von Jarnac, die uns in ihrem Garten mit „ahle Worscht á la française“ und dem unverzichtbaren Pineau örtlicher Provenienz bewirteten.

Derart Erbauliches entgeht dem Autotouristen. Als Wasserwanderer haben wir eben das Privileg, Siedlungen an den Flüssen „vom Fluss her“, also meist dort zu entdecken, wo sie gegründet wurden, und dadurch leichter Zugang zu ihrer Geschichte zu finden. Noch ein Wort zu den Schleusen der Charante: Im Lande der individuellen Freiheit und der variantenreichen Improvisation kamen auch unsere vier erfahrenen Ingenieure aus dem Staunen über kreative Technik nicht heraus: 21 Schleusen – 21 verschiedene Systeme. Von „Euronorm“ und Beton, wie wir sie im Vorjahr bei den Schleusen der Rhône erlebt hatten, glücklicher Weise keine Spur.

Wir passierten Saintes. Welche Bedeutung die Industriestadt als Mediolanum Santonum bereits in römischer Zeit hatte, zeigt die Größe ihres eindrucksvollen Amphitheaters, das 20.000 Personen Platz bietet, und in dem noch heute Opern aufgeführt werden. Das Ufer der Charante wird hier vom 2000 Jahre alten Triumphbogen des Germanicus beherrscht.

Die letzten 30 km der Charante sind gezeitenabhängig und zeigen bei Niedrigwasser das unerfreuliche Bild der in den Fluss abgekippten Relikte der Wegwerfgesellschaft. Allerdings half uns das mit hoher Geschwindigkeit ablaufende Wasser, diese Strecke schnell hinter uns zu bringen. Es folgte die Besichtigung von Rochefort, das von Colbert zur Zeit Louis XIV als Kriegshafen angelegt wurde und (leider bei Ebbe per Bus) der Île d’Oléron, deren wichtigster Erwerbszweig die Austernzucht ist. Juni … falsche Jahreszeit!

2. Auf Sèvre Niortaise: von Niort nach La Rochelle

Nachdem unsere ursprüngliche Absicht, die der Charante vorgelagerte Île d’Oléron zu umrudern und La Rochelle von See aus anzusteuern, nicht realisiert werden konnte, weil bei dem Ruderklub, der uns eine dazu erforderliche Seegig zugesagt hatte, niemand aufzutreiben war, zog Rudi, seit Jahrzehnten Frankreich-erfahren und entsprechend vorbereitet, „Plan B“ aus dem Ärmel: Eine exzellente Alternative, nur wenige Kilometer nördlich. Nach kurzem Landtransport setzten wir die „Kurhessen“ in der „Base nautique“ von Niort in die Sèvre Niortaise ein. Wunderschöne, verträumte Landschaft beiderseits des schmalen Flüsschens. Die hohen Bäume auf den Uferböschungen, Silberpappeln und Eichen, mit ihren über uns zusammen fließenden Kronen, wirkten wie ein lang gestreckter Dom. Sonnendurchflutet. Nach wenigen Flussmeilen die Schleuse von La Roussille. Beeindruckende Atmosphäre: Das restaurierte Schleusenhaus, umgewandelt in die „Auberge de La Roussille“. Im Schatten hoher Platanen und Kastanien, Blumenrabatten bis an den Rand des Schleusenbeckens, gepflegte Wege in den Park des nahen Herrenhauses. Sicherlich eine der schönsten Schleusenanlagen Frankreichs. Wir wussten, dass wir den Ort für unseren Abschiedsabend gefunden hatten.

Die Auflagen für das Befahren der Sèvre sind streng: Ankern in der Fahrrinne: „interdit“. Maximale Geschwindigkeit: 12 km/h. Daran haben wir uns strikt gehalten. Die Sèvre ist von Niort aus etwa 70 Kilometer bis zur Bucht von Aiguillon, wo sie nördlich von La Rochelle in den Atlantik mündet, ruderbar. Da ihre letzten 15 kanalisierten Kilometer uninteressant sind, haben wir uns auf die Strecke bis Marans beschränkt, die weitgehend durch das Naturschutzgebiet des „Marais Poitevin“ führt, ein dem Spreewald vergleichbares Gebiet, das von flachen, gestakten Booten befahren wird. Früher zum Transport landwirtschaftlicher Produkte, heute von Touristen. Wir genossen die Abgeschiedenheit des ländlichen „douce France“ als strengen Kontrast zur im Vorjahr erlebten kanalisierten Rhône mit ihren gewaltigen Einheitsschleusen, ihrer technisierten Landschaft mit Autobahnen, TGV und Kernkraftwerken, deren Kühltürme die Weinberge viele Kilometer weit dominieren.

In La Rochelle, nicht nur traditionsreicher Kriegshafen, sondern auch einer der malerischsten Orte an der französischen Atlantikküste, folgten wir Rudi auf den Pfaden seiner Jugend in französischer Gefangenschaft. Die im frühen Mittelalter unter englischerHerrschaft zu einem bedeutenden Hafen ausgebaute Forteresse war währendder Reformationszeit Zufluchtsort für Protestanten und Calvinisten und nach der Bartholomäusnacht eine der Hauptfestungen der Hugenotten. Später bedeutender Auswanderungshafen nach Amerika, im Zweiten Weltkrieg deutsche U-Boot-Basis. Trotz des erforderlichen Umwegs blieb das Votum „Auberge de la Roussille“ für unseren Abschiedsabend einstimmig. Vor der Kulisse des Herrenhauses im morbiden Charme seines Parks, unter südlichem Himmel und mächtigen Platanen, über Seerosen, die das Ufer der Sèvre säumten, wurden wir verwöhnt wie Könige. Vive la cuisine française!

Mit Friedrich Hölderlin, der diese Landschaft als die lieblichste und idyllischste Frankreichs besungen hat, erinnern sich ihrer gern: Rudi Meister als Reiseleiter, Hanns-Dieter Gerdum, Werner Kretschmer, Peter Lipphardt, Wolfgang Reukauf, Karl-Heinz Saur, und der Chronist, Rüdiger Mohrstedt.

Der Finowkanal bietet ruhigeres Wasser

Wanderrudern im RKC

Der Finowkanal bietet ruhigeres Wasser

Der Finowkanal bietet ruhigeres Wasser

Im Jahr 2010 wurden rund 5.700 km zurückgelegt. Die Kurhessen ruderten auf Mosel, Weser, Werra, Fulda, Elbe, Oder, Edersee und auf den Berliner, Potsdamer und holländischen Gewässern.

Die Bedingungen für den Fahrtenwettbewerb des DRV haben Rudi Meister mit 1.054 km, Reinhard Kaernbach mit 2.331 km und Karl Heinz Saur mit 811 km erfüllt.

Eine Bitte: Im Fahrtenbuch die Wanderfahrten mit Start-  und Zielort eintragen; das wird vom DRV für die Statistik gewünscht. Für 2011 werden Wanderfahrten im Bootshaus am „Schwarzen Brett“ ausgehängt. Einladungen per Post bzw. e-mail werden nicht ausgesprochen.

Schurri!

Gerhard Klotz

Auf der Oder bei Hochwasser flussabwärts von Frankfurt

Wanderfahrt „Die Oder und Umgebung“ 14. – 22. 8. 2010


Die Oder von Ratzdorf bis Hohenstaaten – Alte Oder – Schiffshebewerk Niederfinow – Oder-Havel-Kanal – Werbellinkanal – Werbellinsee – Finowkanal.
Auf der Oder bei Hochwasser flussabwärts von Frankfurt

Auf der Oder bei Hochwasser flussabwärts von Frankfurt

14. August: Zunächst mussten wir erst einmal an den deutsch-polnischen Grenzfluss gelangen. Bei strömendem Regen ging es am Auedamm los, bis Magdeburg zügig. Dann wurde es mühsam: Die A10 war wegen eines Tanklastwagen-Unfalls ganztägig gesperrt, so dass wir unser Tagesziel erst mit 90 km Umleitung und mehrstündiger Verspätung erreichten. Spätabends lagerten wir die „Kurhessen“ am Ratzdorfer Ufer der Oder, in unmittelbarer Nähe der Einmündung der Neiße. Übernachtung in Frankfurt.

15. August: Regen. Wie an allen Tagen dieser Reise; aber nur einmal während des Ruderns.
Wir ließen die „Kurhessen“ neben dem Ratzdorfer Pegel, der wegen des zunächst auch für die Oder befürchteten Hochwassers in diesen Tagen in aller Munde war, zu Wasser. Eine dafür halbwegs geeignete Stelle konnten wir jedoch nur mit Mühe finden, wie es auch auf fast der gesamten Oder-Strecke aufgrund der die Ufer weitläufig säumenden Feuchtgebiete kaum möglich war, trockenen Fußes an Land zu kommen – abgesehen von wenigen befestigten Anlagen wie in Frankfurt und Küstrin.
Am Einsetzplatz unseres Bootes unterhalb der Mündung der Neiße konnte man das Ausmaß der Überschwemmung an ihrem Oberlauf erahnen: In diesen Tagen floss sie nicht auf gleichem Niveau in die Oder, sondern sie ergoss sich, einem Wasserfall gleich, in hohem Schwall in diese und sorgte so für deren Beschleunigung.
Der übliche mittägliche Crew-Wechsel – fünf Mann im Boot, zwei im Bus – fiel an diesem Tag aus. Der Landdienst fand keinen Weg durch das Deich-Vorland an den Fluss. Bei angenehm sonnigem Ruderwetter und einem Vortrieb von gut 12 kmh über Grund nahm es die Crew jedoch gelassen und war früh an dem für den Abend vorgesehenen Ziel: Frankfurter RC. Von menschlichen Aktivitäten hat die Bootsbesatzung an diesem Tag kaum mehr gesehen als die Silhouette und Schornsteine des ehem. Stahlkombinats „Eisenhüttenstadt“, jetzt im Besitz des indischen Stahlmagnaten Mittal. Derweilen bewunderte der Landdienst die beindruckenden Deckenmalereien, Skulpturen und Gemälde des im 17. Jahrhundert frühbarock umgestalteten Zisterzienserklosters Neuzelle und dessen vorzügliches Klosterbräu.
16. August: Landschaftlich ähnliche Bilder wie am Vortag. Schneller Fluss. Die Auwälder gelegentlich unterbrochen von großflächigen hügeligen Wiesen, auf denen weiße Silage-Rollen in großer Zahl verstreut lagen. Auf den Deichen alle 200 Meter ein Pfosten in Nationalfarben: westlich der Oder schwarz-rot-gold, östlich weiß-rot. Die Deiche selbst wurden nach dem Hochwasser von 1997 in weiten Strecken erneuert und erhöht; an vielen Stellen waren jedoch noch umfangreiche Deichbau-Arbeiten im Gange. Ansonsten: Natur. Kaum ein Zeichen menschlichen Wirkens. Außer der „Kurhessen“ kein Boot oder Schiff auf dem großen Strom. Der Nachmittag gehörte Frankfurt: Dem schönen Maßwerkgiebel des spätgotischen Rathauses und der Bewunderung der Marienkirche, der fünfschiffigen, größten Hallenkirche der norddeutschen Backsteingotik. Ihre berühmten, nach dem zweiten Weltkrieg an die Sowjetunion ‚ausgeliehenen‘ Kirchenfenster wurden kürzlich zurückgegeben und wieder in die Apsis eingesetzt.
17. August: Oder und Umfeld wie gehabt. Vorbei an Küstrin. Bei Hohenstaaten Abzweig nach Westen in die Alte Oder und damit Verlassen des zuletzt quasi kanalisierten Stroms. Der Fluss wurde alsbald lieblicher, und, flußaufwärts rudernd, hatte die Kilometer-Fresserei ein Ende. Schon von weitem grüßte uns die hoch aufragende Stahl-Konstruktion des Schiffshebewerks Niederfinow, das uns zwei Stunden später von der Alten Oder 36 Meter hoch auf das Niveau des Oder-Havel-Kanals hievte. Dieses um 1930 gebaute, eindrucksvolle und damals weltgrößte Schiffshebewerk besichtigten wir auf dem Rückweg. Die „Kurhessen“ vertäuten wir in einem nahen Stichkanal an den Resten der verfallenen Treppenschleuse des alten Finowkanals, dessen Ursprung in den Anfang des 17. Jahrhunderts zurückreicht.
Hier Bild 3: „Finowkanal“
18. August: Heftiger Regen und Gegenwind machten die ohnehin ziemlich langweiligen 25 Kilometer auf dem nüchtern-breiten Oder-Havel-Kanal zu einer Tortur für die Bootsbesatzung, die sich danach in der Marina von Marienwerder bei dann wieder prächtigem Wetter erholen konnte. Die anschließende Fahrt auf dem alten idyllischen Werbellinkanal, durch Auwälder, mit Seerosen bewachsenen Teichen in den Werbellinsee – lt. Theodor Fontane „der schönste See der Mark Brandenburg“ – sorgte für einen versöhnlichen Tagesausklang.
19. August: Drei-Kanäle-Tag: Zurück durch den schmalen, sich durch die kleinen Seen schlängelnden Werbellinkanal, dessen Ufer kaum befestigt sind, und über den sich die Kronen hoher Bäume Dom-ähnlich schließen. Ein paar Kilometer auf der unwirtlichen Oder-Havel-Verbindung mit ihrer kommerziellen Groß-Schifffahrt zwischen Berlin und der Ostsee. Dann auf den Resten des historischen Finowkanals mit seinen handbetriebenen Schleusen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Seinerzeit eine bedeutende Wasserstraße, nach dem Bau des parallel verlaufenden Oder-Havel-Kanals vernachlässigt, nach der (Wieder-)Vereinigung umfangreich saniert. Ein Wanderruder-Paradies in üppiger Natur. Am Nachmittag Besichtigung des ehemaligen Zisterzienserklosters Chorin, dessen Urzelle in der Mitte des 13. Jahrhunderts lag. Trotz teilweiser Zerstörung der dreischiffigen Klosterkirche ein einzigartiges Bauwerk der norddeutschen Backsteingotik. Seine prachtvolle Westfassade überstrahlt das weitläufige Gelände und lädt zu zahlreichen Veranstaltungen, z.B. des „Choriner Musiksommers“, ein. Während einer Kloster-Führung entdeckten wir, dass am Nachmittag unseres letzten Rudertags ein Trompetenkonzert in der Klosterkirche stattfinden sollte. Die Entscheidung gegen Rudern fällt zwar immer schwer; aber in diesem Fall war sie einstimmig: Diese Gelegenheit wollten wir uns nicht entgehen lassen; und so erwarben wir die letzten noch verfügbaren Konzertkarten.
20. August: Noch einmal genossen wir ein paar Ruder-Kilometer in der beschaulichen Ruhe des Tinowkanals, kurbelten an etlichen Schleusentoren und legten die „Kurhessen“ in Eberswalde an Land. Als wir vor der dortigen gotischen Maria-Magdalenen-Kirche versuchten, die Inschriften auf der vor ihrem Portal stehenden mächtigen Freiheitsglocke zu entziffern, half uns dabei ein junger Mann, der sich später als der zuständige „Pfarrer, Küster und Mädchen für Alles“ zu erkennen gab. Es folgte eine bemerkenswerte Führung durch die Kirche mit ihrem Jahrhunderte alten Altar und Taufbecken, und durch ihre Geschichte, in der sie dank standhafter Gemeinde alle Anfechtungen aus Kriegen und Politik schadlos überstanden hat.
21. August: Besichtigung des Schiffshebewerks Niederfinow. Ein Technikmonument erster Güte ist die gigantische Maschinerie, mit deren Hilfe Schiffe den Höhenunterschied zwischen Oder und Havel bei Niederfinow in einem einzigen Schleusengang überwinden. Dabei hebt bzw. senkt ein elektrisch angetriebener Super-Lift einen Schleusen-ähnlichen Stahltrog samt Schiff(en), Ladung und Wassermassen im Gesamtgewicht von fast 5.000 Tonnen in wenigen Minuten um 36 Meter. Eine technische Meisterleistung für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Als Zugabe hatten wir bei bester Sicht aus 60 Meter Höhe einen prächtigen Rundblick über Hügel und Seen Brandenburgs. Neben diesem Stahlgiganten entsteht z.Zt. das futuristisch anmutende „Neue Schiffshebewerk Niederfinow“: Betonklotz. Doppelte Kapazität.
Nachmittag: Klosterkirche Chorin: Acht Trompeten, Pauken und Basso continuo.
Händel: „Feuerwerksmusik“ und „Wassermusik”. Jeremiah Clarke: „Suite of Ayres for the Theatre“ und „The Prince of Denmark’s March“. Grandios.
22. August: Rückfahrt wie Hinfahrt: Regen und Staus. Doch nach dieser eindrucksvollen Reise beeinträchtigte das weder die Stimmung unseres Kommandanten, Rudi Meister, noch die seiner Crew: Hanns-Dieter Gerdum, Gerd Leben, Peter Lipphardt, Wolfgang Reukauf, Karl-Heinz Saur und Rüdiger Mohrstedt als Verfasser dieses Artikels.
Die Barke in einer Sportbootschleuse

Neun alte Herren auf Moselfahrt vom 30.5.-4.6.2010

Die Barke in einer Sportbootschleuse

Die Barke in einer Sportbootschleuse

Die Idee zu einer Barkenfahrt auf der Mosel hatte unser Ehrenvorsitzender Gerd Michael Brach in Erinnerung an eine RK – Kurhessen – Wanderfahrt vor 30 Jahren. Als verantwortlicher Thümmler, der für die Bahnfahrt und Kasse zuständig war. Beide hatten zuvor auf einer zweitägigen Inspektionsfahrt die Unterkünfte und die Anlegemöglichkeiten für die Barke getestet. Durch Gerd Michaels Verbindungen zu seiner Heimatstadt Trier konnte eine Barke gechartert und deren Rückführung sowie eine Stadtführung organisiert werden. Frau Liesel Heckmann sowie Frau Eva Bernhardt und Werner Bergmann vom Trierer RV sei an dieser Stelle nochmals herzlich für ihr Engagement gedankt. Die Wanderfahrt stand zunächst unter keinem guten Stern, denn drei ursprünglich angemeldete Teilnehmer sprangen ab; der letzte sogar erst 3 Tage vor Fahrtbeginn! Die Tatsache, dass wir kein Begleitfahrzeug dabei hatten, bedeutete, dass wir unser Gepäck immer mit uns führen mussten. Neben einer leicht zu verstauenden Sporttasche war nur ein kleines Handgepäck erlaubt. Dank der Fahrbereitschaft unserer Winzerfreunde und Hoteliers brauchte das Gepäck zwischen den Anlegestellen und Unterkünften nicht von uns geschleppt zu werden.

Insgesamt gesehen war die Packerei für alle eine logistische Herausforderung und war für einige sogar zu einem Problem geworden. Mal blieb ein Pulli oder eine Tasche liegen, mal eine Vereinsflagge; mal fehlte ein Sitzkissen, mal eine Rudermütze. Und eine Flasche Wein zerbrach im Gepäck eines Ruderkameraden, bevor die Reise begonnen hatte.
Im Verlauf der Wanderfahrt zeigte sich die Altherrentruppe stabiler und flexibler als es das Durchschnittsalter von fast 75 Jahren vermuten ließ. Das sogenannte kollektive Gedächtnis wurde eine unserer Stützen. Die hochkarätige Bootsbesatzung von Ehren-, Vorstands- und erfahrenen Wanderfahrtmitgliedern führte allerdings bei unvorhergesehenen Manövern oft zu kontroversen Diskussionen, die erst durch ein Machtwort des Fahrtenleiters gestoppt werden konnten.
Die kulturellen Highlights gab es gleich an den ersten beiden Tagen: eine zweistündige Stadtführung durch die über 2000 Jahre alte römische Kaiserresidenz und Provinzhauptstadt Trier mit der Porta Nigra, dem Dom (die frühere Konstantinsbasilika), den kaiserlichen Thermen und dem kurfürstliche Palast, um die wesentlichen Schwerpunkte zu nennen. Nach einer
18 – km – Etappe nach Riol folgte noch am selben Abend eine erlesene Weinprobe mit „Schmeckewöhlerchen“ beim Winzer Franz Peter Schmitz im Römerhof. Und die nächste Weinprobe gab es einen Tag später in Brauneberg, wo wir anschließend eine römische Keltereinrichtung in der Weinlage „Juffer“ der Familie Schiffmann besichtigen konnten.
Traben – Trarbach und Senheim waren nach 30 bzw. 38 Km die Etappenziele der nächsten beiden Tage; diesmal stand das Rudern mehr im Vordergrund inmitten einer einmalig
schönen Flusslandschaft mit steil aufsteigenden Weinbergen und malerischen Dörfern. Und das Wetter wurde immer besser.
Der Tagesrhythmus hatte sich inzwischen eingependelt: 8 Uhr Frühstück, 9 Uhr Abfahrt, gegen Mittag Rast am Bootssteg eines Rudervereins, wo es zu den selbstzubereiteten Lunchpaketen Wasser bzw. Wein gab. Lagen wir gut in der Zeit, wurde kurz vor Ende der Etappe noch eine Kaffeepause eingelegt, damit die Kuchen- und Eisfreunde auf ihre Kosten kamen. Alle 5 Km wurde der Steuermann ausgewechselt; jedem war freigestellt, auf der Backbord- oder Steuerbordseite zu rudern. Bei den vielen Flussschleifen waren Rücken- und Gegenwind ausgeglichen. Das tägliche Schleusen brachte Abwechslung.
Versuche, den Schalleffekt der bis zu 10 Meter hohen Kammerwände gesanglich auszunutzen, scheiterte an den fehlenden Textkenntnissen. Besser klappte das am letzten Abend, als wir der Tochter des Straußenwirts, der deutschen Weinkönigin von 2009, ein Ständchen zum 21. Geburtstag brachten. Zuvor hatten wir jedoch noch die größte Herausforderung der Wanderfahrt zu bestehen. Als wir nach insgesamt 162 zurückgelegten Flußkilometern hinter Moselkern einen Schutzhafen anliefen, um die Barke herauszunehmen und zu verladen, versagte uns der Campingplatzwart die Erlaubnis. Wir mussten also wieder 2 km zurück stromaufwärts nach Moselkern rudern, wo wir mit dem Einsatz unserer letzten Kräfte und hilfsbereiter Dorfbewohner die Barke auf den Hänger hievten und das Gefährt über eine schräge Ebene auf den Straßendamm schoben. Dass es bei dieser wilden Aktion zu einer Beule am Zugfahrzeug kam, ist zwar bedauerlich, konnte aber die gute Stimmung nicht mehr stören.
Als Abschluss unserer ereignisreichen Ruderwanderfahrt gab es noch am Vormittag des letzten Tages eine Wanderung zur Burg Elz, die der Verfasser dieses Berichtes nur zur Hälfte mitmachte, um sein neues Knie nicht überzustrapazieren. In der Ringelheimer Mühle wartete er auf die Rückkehr seiner Ruderkameraden Gerd Michael Brach, Reinhard Kernbach, Rudolf Knauff, Rudi Meister, Frank Oberbrunner, Karl Heinz Saur, Bernhardt Selting, und Wolfgang Thümmler, um nach einem letzten gemeinsamen Mittagessen die Heimfahrt mit der Deutschen Bahn über Koblenz, Frankfurt nach Kassel anzutreten. Wir werden die Barkenfahrt auf der Mosel 2010 in guter Erinnerung behalten und können sie zur Nachahmung nur weiter empfehlen.
Jochen Meier