Nach einem ausgiebigen Frühstück in Offenbach – Sabine und Rüdiger Mohrstedt sei für die Einladung auch an dieser Stelle herzlich gedankt – erreichten wir gegen Mittag den Kanu-Club Illingen in der Nähe von Rastatt. Bei brütender Hitze haben Fahrtenleiter Peter Lipphardt, Rudi Meister (bis Mittwoch), Karl-Heinz Saur, Hanns-Dieter Gerdum, Rüdiger Mohrstedt, Wolfgang Reukauf und Gerd Leben den Vierer „Kurhessen“ ins Wasser gesetzt, um in der heißesten Woche dieses Sommers vom 19. bis 24.08.2012 die 200 km des Rheins bis Kaub zu rudern. Die Strömung des Rheins, eine leichte Brise Fahrtwind, ausreichend Wasserflaschen an Bord und große Mengen Radler abends haben es uns erleichtert, die Tagesetappen von Illingen bis Leimersheim, Speyer, Worms, Guntersblum, Geisenheim und Kaub zurückzulegen. Außerdem hatte Peter zusätzlich zwei Halbtagesetappen vorgesehen, um uns genügend Zeit für die Besichtigung von Speyer und Worms zu geben.
Zunächst befuhren wir von Illingen bis Bingen den Oberrhein; danach mit seinem Eintritt in die Mittelsgebirgsschwelle ab Mainz den Mittelrhein. In der oberrheinischen Tiefebene sieht man deutlich die Umgestaltung der Landschaft durch die im 19. Jahrhundert vorgenommene Rheinbegradigung. Der ursprünglich relativ träge in Haupt- und vielen Nebenarmen mäandernde Fluss wurde zu einem schneller fließenden Strom umgestaltet, der von Deichen flankiert wird. Überbleibsel des ursprünglichen Flusses sind die Auenlandschaften mit Naturschutzgebieten und Altrheinarme, in denen häufig Sportboote ankern.
Bei dem schönen Wetter waren viele Menschen an den Sandstränden, sonnten sich und badeten, und bei der verhältnismäßig geringen Zahl von Frachtschiffen machte der Rhein in diesem Abschnitt bis Speyer einen fast idyllischen Eindruck.
Nachdem wir unser Boot im kleinen Hafen von Leimersheim festgemacht hatten, konnten wir unser kleines gemütliches Hotel – in der Altstadt von Speyer unter großen Lindenbäumen versteckt – trotz Navigationsgerät nur mit Mühe finden.
Die Halbtagesetappe am nächsten Tag endete im alten Hafen an der Pritsche der RG Speyer 1883. Die Stadtbesichtigung von Speyer unter der kunsthistorischen Begleitung von Karl-Heinz führte uns zunächst zum Dom. Er wurde 1981 als zentrales deutsches Kulturdenkmal in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen und gilt als das größte romanische Bauwerk der Welt. Bemerkenswert ist insbesondere die Krypta, die bis heute unverändert geblieben ist und die Grablege von acht deutschen Kaisern und Königen ist. Vom Dom gingen wir auf der Maximilianstraße zum „Altpörtel“, mit 55 m eines der höchsten Stadttore Deutschlands. Das westliche Haupttor bildete mit der Stadtmauer und weiteren Türmen die mittelalterliche Stadtbefestigung. Außerdem berichtete der Chronist über die Geschichte und besondere Bedeutung der Universität Speyer für die Verwaltungsrechtswissenschaft in Deutschland.
Auf der Etappe von Speyer nach Worms ruderten wir an den Hafenanlagen von Ludwigshafen und Mannheim vorbei. Ab Mannheim, dem zweitgrößten deutschen Binnenhafen, herrschte starker Schiffsverkehr und die beiderseitigen Spundwände verursachten Kreuzwellen, die für Ruderboote gefährlich sind. Doch Rudi steuerte uns mit seiner Erfahrung sicher durch das aufgewühlte Wasser.
Unterhalb der Nibelungenbrücke legten wir beim Wormser Ruder-Club „Blau-Weiß“ an der Pritsche am Hagendenkmal an. Angesichts des Hagen, der im Begriff ist, den Nibelungenschatz im Rhein zu versenken, erzählte uns Rüdiger Näheres über Mythos und Historie der Nibelungensage.
Worms ist außer als Nibelungenstadt vor allem als Dom- und Lutherstadt bekannt.
Am nächsten Vormittag besichtigten wir unter der kundigen Führung von Karl-Heinz zunächst den Dom, das bedeutendste Bauwerk der Wormser Romanik. Um 1181 fertig gestellt, wurde in einer späteren Baumaßnahme um 1300 die romanische Nikolauskapelle durch eine gotische ersetzt, und gleichzeitig wurde das Südportal mit plastischem Figurenschmuck als Bilderbibel neu gestaltet. Nach der Stadtzerstörung 1689 entstand der barocke Hochaltar von Balthasar Neumann. Der Dom ist Grablege für die Vorfahren und Angehörigen des salischen Königshauses. Zusammen mit Speyer und Mainz bilden die drei romanischen Kaiserdome am nördlichen Oberrhein eine weltweit einmalige Kombination eines historischen Baustils.
Danach besuchten wir die Dreifaltigkeitskirche, die größte protestantische Kirche in Worms. 1709 wurde an diesem Standort der Grundstein für die lutherische Stadtkirche gelegt, da man davon ausging, hier habe Martin Luther 1521 auf dem Reichstag zu Worms vor Kaiser Karl V. seine Schriften verteidigt. Im zweiten Weltkrieg stark zerstört, wurde der barocke Saalbau wieder hergestellt, der Innenraum jedoch modern gestaltet. Bemerkenswert ist der Blick im Innenraum nach Westen mit dem Luthermosaik und der Orgel.
Nach der Stadtbesichtigung hat uns Rudi am Mittag mit dem Ziel Kanada verlassen, um dort an einer internationalen Wanderfahrt teilzunehmen. Wir dagegen fuhren bei ruhigem Wasser von Worms bis zur alten Fähre von Guntersblum, die gegenüber der Insel Kühkopf liegt. Für die letzten zwei Nächte bezogen wir in Bodenheim das Landhotel „Battenheimer Hof“, in dem wir uns außerordentlich wohl gefühlt haben.
Die nächste Etappe mit dem Ziel Geisenheim führte uns an so bekannten Orten wie Oppenheim, Nierstein, Mainz, Wiesbaden-Biebrich mit Schloss und Oestrich vorbei. Auf der Abschlussstrecke von Geisenheim nach Kaub änderte sich das Landschaftsbild; über steil emporragenden Felsabhängen standen Burgen, Ruinen, Schlösser und sonstige Sehenswürdigkeiten. Für uns Ruderer aber erforderte das Durchfahren des Binger Lochs erhöhte Aufmerksamkeit. Wir hielten Kurs direkt am rechten Ufer und konnten so unbeschadet in den Kauber Werth einfahren. Direkt gegenüber der berühmten Zollburg Pfalzgrafenstein, welche auf der kleinen Insel Falkenau errichtet wurde, haben wir unsere abwechslungsreiche schöne Wanderfahrt beendet.
Gerd Leben