Im Juni 2012, 11.-15.6., war es mal wieder soweit: Acht Kurhessen machten sich auf nach Berlin zum Ruderklub am Wannsee, wo wir in Vier-, Drei- und Einbettzimmer für vier Übernachtungen ständiges Quartier nahmen. Der gastfreundliche Klub mit 600 Mitgliedern stellte uns einen geklinkerten Doppelvierer und einen Doppelzweier; beide wirklich gut! Zu unserer Überraschung wurden wir auf dem Bootshausgelände von unserem Ruderkamerad Rüdiger Mohrstedt aus Offenbach begrüßt, der mit seiner Frau Sabine in Berlin Urlaub machte und von unserer Wanderfahrt gehört hatte.
Gleich am Ankunftstag absolvierten wir die – Berlinern gut bekannte – so genannte „kleine Umfahrt“, nämlich vom südöstlichen Wannsee in den kleinen Wannsee, Stölpchensee, Griebnitzsee, Glienicker Brücke, Pfaueninsel zurück zum Bootshaus. Dienstag früh morgens über den Wannsee nach Norden bis Spandau, in die Spree und dann über den Landwehrkanal und wieder Spree nach Treptow; eine ca. 46 km lange Etappe auf stehendem Wasser mit ein paar Schleusen, fast ohne – für Ruderer geeignete – Anlegemöglichkeiten – war kein reines Zuckerschlecken. Eine Stunde per S-Bahn zurück. Am Mittwochmorgen eine Stunde S-Bahn nach Treptow (gegenüber Köpenick) und Rudern durch die Müggelspree sowie über den großen Müggelsee nach Osten und Passieren der äußerst malerischen Gartensiedlung Rahnsdorf/Hessenwinkel nach Süden über den Seddinsee und von diesem nach Nordwesten kehrend über die Grünauer Olympiastrecke von 1936 nach Westen in den Teltowkanal bis „Wiking“. Von dort waren es dann am 4. Tag noch gut 35 Km über Kleinmachnow (3-Kammern-Schleuse), Kohlhaasenbrück und Kleinen Wannsee zum Bootshaus zurück.
So viel zum Rudern; man könnte sagen, dass knapp 140 Km in 3 ½ Tagen genug seien für eine gelungene Wanderfahrt in meist stehendem Wasser. Weit gefehlt!
Impressionen Berliner Gewässer
Was uns Fahrtenleiter Wolfgang Thümmler mit akribischer S- und U-Bahnfahrtenorganisation sonst noch bot, war vom Feinsten. Montagabend harmlose Fußball-EM, am Dienstag abends Vereinsklatsch und Erinnerungsgeschwätz, am Mittwoch Deutschland gegen Niederlande. Am Donnerstag nach Beendigung der Ruderei kam es dann knüppeldick: Liebermann-Haus und -Garten am westlichen Wannsee und sodann ins Theater „Wühlmäuse“ mit einem glänzend aufgelegten Franz Lüdecke. Nach leicht schwierigem Einstieg mit Neurobiologie konnte er das nicht vollbesetzte Theater mit feinsinnigen Überlegungen zu Bildung und Internet- natürlich auch mit Ironie auf politischem Feld – begeistern; keine proletenhafte Faktenverfälschung eines Priol, keine zerhackten Sätze à la Richling und Hildebrandt, es war ein Genuss. Das war der letzte Abend, und ich zog auf der S-Bahn-Heimfahrt ein erstes Fazit: Gelungen!!!
Negativ anmerken muss ich allerdings, dass einige Ruderkameraden sich vom Frühstückstisch derart zur Versorgung für den ganzen Tag bedient haben, dass Brötchen nachgeordert wurden, welche die ganze Gruppe dann zusätzlich zahlen musste. So etwas gehört sich nicht; ebenso wenig wie das Beharren auf einer Bootsauflage mitten im Zugang zum Wasser, wenn die örtliche Klubbeauftragte uns eine seitliche
Ablage anweist. Wir sind Gäste und da gab einer von uns kein gutes Bild ab.
Im Ruderklub am Wannsee
Doch dann kam schon der 5. Tag. Schon früh am Freitagmorgen waren wir im „Panorama“ vor dem Pergamon-Museum – eine grandiose Schau in die Antike Pergamons und auch ein bisschen von Rom. Vom Inneren des fast 30 Meter hohen Zylinders aus Containern tat sich ein lebendiges Bild von Tempeln, Theater, Phidias-Werkstatt bis Kolosseum, belebt mit Menschen und Opfertieren mit Tag- und Nachtbeleuchtung so plastisch vor uns auf, dass man glauben konnte, man bewege sich selbst in dieser Welt! Es wäre wünschenswert, wenn diese Installation auch andernorts gezeigt würde; einen solchen Eindruck vom antiken Leben würde ich jedem Schüler von zirka 12 – 15 Jahren gönnen.
Und dann trafen wir auf ManFred Riedel, klein, drahtig, mit lebhaften Äuglein führte uns dieser Altachtundsechziger in seinen Turnschuhen 5 ½ Stunden (incl. 30 Minuten Mittagspause) zu Fuß durch die städtisch-feudalistische Stadtbaugeschichte der Berliner Mitte. Es war fesselnd bis zum Schluss auf dem Gendarmenmarkt:
Sechs Baustile an einem Platz; so hatte ich diesen Platz noch nie gesehen. Wir wurden auch – zu Recht ! – auf die gelegentlich vernachlässigte Tatsache hingewiesen, dass auch zu DDR-Zeiten nicht weniges zur Erhaltung und zum Wiederaufbau historisch bedeutsamer Bauten geleistet wurde. Es blieb bis zur Zugabfahrt – trotz angekündigten – „freien Nachmittags“ gerade noch Zeit für einen Besuch in der größten Chocolaterie (keine Fabrik), nämlich bei Fassbender und Rausch am Gendarmenmarkt. Ein kalter Schokoladenvollmilchkakao mit Rum mit einem Marzipantörtchen mit Biskuit und Himbeermousse ist ein Erlebnis in Berlin von besonderer Art. Und dann zum Schluss die Heimfahrt am Freitagabend von Berlin Hbf im ICE. Nichts war mit Wagennummern und Platzreservierung; reines Chaos. Dreien von uns verschaffte das eine Rückfahrt in der 1. Klasse.
Zusammenfassend kann man mit Fug und Recht sagen, dass wir dem Fahrtenleiter Wolfgang Thümmler und seinem Assistenten Jochen Meier eine Wanderfahrt erster Klasse verdanken, nämlich Dr. Rudi Knauff, Rudi Meister, Frank Oberbrunner, Karl-Heinz Saur, Burkhard Zellmer und Chronist Peter Lipphardt.