Ruderstammtisch Mittwoch, 7.11.2012: Vortrag über die Olympischen Spiele 2012, London, mit Grünkohlessen

Vortrag Torsten Gorski und GrünkohlessenBei zunächst acht angemeldeten Teilnehmern erschienen an diesem Abend überraschenderweise und sehr erfreulich 28 Vereinsmitglieder. So wurde es in der Veranda des Bootshauses recht eng, aber gemütlich. Wir appellieren jedoch an dieser Stelle an alle Vereinsmitglieder, sich zu den Veranstaltungen rechtzeitig anzumelden, zumal unser Vorstand rechtzeitig informiert. Unser Wirt, Hajo Weber, hatte allerdings mit ca. 30 Personen gerechnet, so dass es hinsichtlich der kulinarischen Versorgung keinen Engpass gab. Unser Vorsitzender Frank Oberbrunner begrüßte die Anwesenden recht herzlich, unter denen sich sowohl einige neue Mitglieder, welche dieses Jahr ausgebildet wurden, als auch mehrere Rennruderer befanden.

Der Tradition bewährter deutscher Esskultur folgend, wurde ein so herrliches Mahl – Brägenwurst, Kassler, Grünkohl mit Kartoffeln, im November – der kälteren Jahreszeit angemessen – von unserem Wirt Ha-Jo Weber angerichtet. Wir werden diese Speise in Südeuropa vergeblich suchen, und nach der Sommerzeit, genau die Speisen aus jenen südlichen Provenienzen zur Genüge original oder schlecht imitiert genossen zu haben, ist es eine Gaumenfreude, sich auf solch heimisch-deftige Kost einzulassen, mit einem schmackhaften Pils, dazu passend ein Kümmelkorn. In Norddeutschland wird dieses Essen als „Kohl und Pinkel“ bezeichnet. Manchmal tun wir uns heutzutage schwer, diese deftigen Gerichte anzunehmen, so etwas erscheint meist nicht auf dem Speiseteller der Ernährungsbewussten, ebenso wenig wie neben der nordhessischen „Ahlen Wurscht“ die Martins- oder Weihnachtsgans. Doch wir Ruderer/-innen sehen hier kein Problem, dass wir uns diese heimischen Gaumenfreuden gönnen dürfen und wollen, so wir denn mindestens ein- oder mehrmals in der Woche unserer Kalorien verbrauchenden Sportart frönen!

Nachdem sich alle Beteiligten ausgiebig gestärkt hatten, entführte Torsten Gorski mit eloquenten Worten in freier Rede und hierzu passenden Bildern die gespannt lauschenden Zuhörer in die Welt der Olympischen Spiele 2012 in London: spannende Reminiszenz an Geschehenes!

Torsten ist stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ruderverbandes und vertrat bei den Spielen zusammen mit dem Vorsitzenden, Siegfried Kaidel, den DRV. Über vieles, was Torsten in seiner einstündigen Rede berichtete, waren die Zuhörer doch recht erstaunt oder überrascht, so dass alle einhellig der Meinung waren, eine außerordentlich hervorragende, interessante Abendveranstaltung besucht zu haben. Torsten zeigte Bilder von der Eröffnungsfeier, bei der ein guter Platz 1.800 € kostete, eine normale Tageskarte auf schlechteren Plätzen 250 €. Auch hatte der DRV 130 Karten vorgekauft, zum Preis von 800 € je Karte und Woche, die überraschend schnell weiterverkauft werden konnten. Sponsorengeldbeiträge, wobei er Namen wie Procter & Gamble, Götz Werner (DM-Märkte) und Adidas nannte, machten natürlich einen erheblichen Teil der Einnahmen aus. Das Sponsoring einiger Firmen zwang allerdings in ein enges Korsett: „Es gab nichts, was nicht vorgeschrieben war“, „Geld vor Sport“, so lauteten zwei bemerkenswerte Sätze in diesem Vortrag. Dies reichte hin bis zur Kleiderordnung: Adidas schrieb die Kleidung vor, zum Beispiel 12 min Adidas-Kleidung am Siegersteg, zum Beispiel Einkleidung des DRV-Vorsitzenden Siegfried Kaidel auf Anordnung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), wobei Vorschrift bestand, wann und wo die Kleidung zu tragen war. Aber auch großzügige materielle Leistungen waren hervorragend: die Bootswerft Empacher zum Beispiel stellte für die DRV-Mannschaft die Boote teils kostenlos, teils im Leasingverfahren zur Verfügung und hielt für den Fall eines Bootsschadens zusätzlich nochmals für jede Bootsgattung ein Ersatzboot vor! Während einerseits Sponsoren bis ins letzte Detail Vorschriften erteilten, bedeutete dies umgekehrt auch Verdruss, so hatte der deutsche Achter bis einen Tag vor dem Rennen erheblichen Ärger, weil ein Wellenzeichen der Firma Empacher abgeklebt werden sollte.

Die Aussage „Es gab nichts, was nicht vorgeschrieben war“ betraf sehr wohl auch die äußerst umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen: Zäune, Personenkontrollen, Gepäck- und

Fahrzeugdurchsuchung, genaue Wegweisungen mit viel Militär- und Polizeikräften, bis hin zur strikten Anweisung, welcher Weg zum Tribünensitzplatz exakt eingehalten werden musste. Auch die Athleten hatten gewisse Abläufe nach dem Rennen strikt einzuhalten: Siegerehrung, Doping-Kontrolle, dann zur Presse, schließlich zum Sponsor WILO-Pumpen. Das Olympische Dorf war praktisch eine Stadt für sich, neben den Unterkünften mit Krankenhaus, Polizei, Geschäften und sonstigem ausgestattet, aber stark abgeriegelt. Beim Rahmenprogramm im Deutschen Haus begegnete man vielen VIP’s, Olympiateilnehmern vergangener Zeiten, politischen Größen und auch Personen wie z. B. Boris Becker.

Rudern hat in England einen erheblich größeren Stellenwert als in Deutschland, so sind die staatlichen Zuschüsse dort an den Ruderverband um das Drei- bis Vierfache höher als bei uns. Speziell zu den Olympischen Spielen erhält der DRV keine Zuschüsse, wohl aber die Medaillengewinner, wobei hier durch Zuschüsse und Sponsoring Beträge von bis zu 20.000 € je Person zusammenkommen. In den Vorbereitungsjahren erhalten nicht nur die Trainer – zum Beispiel Ralf Holtmeyer – Honorare: es sind Personen, die sich vier Jahre lang täglich von morgens bis abends nicht nur im Motorboot um ihre Schützlinge gekümmert haben. Auch die avisierten Wettkampfruderer erhalten ca. 3.000 € je Monat, was nicht als zu hoch angesehen werden darf, weil sie von diesem Geld nicht nur ihren Lebensunterhalt sondern auch andere Ausgaben im Sportbereich leisten müssen, zum Beispiel Physiotherapien, Fahrtkosten, etc., und dies bei vier Trainingseinheiten pro Tag, beginnend um 7:00 Uhr, ganz abgesehen vom Ausfall in der Arbeits- oder Studienwelt. Der Idealismus und der Ehrgeiz ist allerdings bei den meisten Rennruderern so hoch, dass sie in den nächsten Jahren weitermachen wollen. Die staatlichen Zuschüsse werden vom Bundesinnenministerium vergeben, wobei zwischen diesem und dem DRV Zielvereinbarungen getroffen werden, nach dem Motto „Geldzuschuss gegen Siege bzw. Medaillen“. Allein die Olympia-Bootsflotte für die Spielevorbereitung hat der Bund mit 483.000 € finanziert, wobei der Achter bereits 50.000 € kostete. Aber auch die betroffenen Vereine leisteten im Rahmen der Vorbereitungskosten Beiträge zur Finanzierung der Regattateilnahme, insgesamt 70.000 € mit maximal 3000 € je Verein. Trotzdem, so Torsten Gorski, fehlen dem DRV für die zukünftige optimale Vorbereitung immerhin 2 Millionen €, wenn man die Olympischen Spiele im Jahr 2016 in Rio de Janeiro im Auge hat. Zum Schluss seiner Rede stellte Torsten als besonders erfreulich und sehr positiv heraus, dass der DRV unter den Nationen der einzige Verband gewesen ist, welcher sämtliche Bootsgattungen besetzt hatte und überdies im Gesamtergebnis einer der erfolgreichsten deutschen Sportverbände war.

Unser Vorsitzender dankte dem Redner sehr herzlich für seine sehr aufschlussreichen und motivierenden Darstellungen, welche dazu geführt hätten, dass aus der Zuhörerschar viele Fragen und Anmerkungen gestellt wurden. Zugleich wies er wiederholend auf den heute bestehenden – teils fragwürdigen – Zusammenhang zwischen Commerz/Geld und Sport hin. Die Versammlung dankte Torsten mit einem kräftigen „Hipp-Hipp-Schurri!“ Viele saßen an diesem denkwürdigen Abend noch im angeregten Gespräch zusammen, unbestätigten Äußerungen zufolge haben die Letzten das Bootshaus gegen 23:00 Uhr verlassen.

Jochen Moll