Rudis – Ruder – Reisen waren wieder unterwegs. Am 15.8.2011 mit Sprinter-Kleinbus und der guten alten „Kurhessen“ am Haken schafften wir es bis Vesoul, einem völlig ausgestorbenen Provinzstädtchen, wie uns schien. Doch dann klickte es: Mariä Himmelfahrt! Was in Italien als Feragosto mit Krach und Feuerwerk zelebriert wird, ist in Frankreich offenbar Anlass für absolute Ruhe. Hungrig und eigentlich in Vorfreude auf gutes französisches Abendessen, fanden wir letztlich nur eine Pizzeria.
In Frankreich ist eben doch einiges anders als sonst wo, so auch dies: auf dem flachen Land (das Saône – Becken ist flaches Land) gibt es fast nur noch Tankautomaten, aus denen Treibstoff mittels spezieller Tankkarten entnommen werden kann, was wir allerdings nicht wussten. Als wir dringend tanken mussten, sprachen wir an solcher Zapfstation einen Eingeborenen darauf an, ob er wohl bereit sei, unseren Bus auf seine Karte zu betanken gegen Erstattung des dann angezeigten Betrages in bar. Er zögerte, musterte unsere Altmännertruppe in kurzen Rudererhosen, lächelte maliziös und äußerte, er hülfe Deutschen nicht gern, doch der Krieg sei schließlich vorbei… wir waren gerettet.
Auch der Wettergott meinte es gut mit uns, fast zu gut. Abends gelegentlich ein kurzes Wärmegewitter, doch kein Tropfen, wenn wir auf dem Wasser waren. Nur an einem Morgen goss es wie aus Kübeln, als wir kurz nach 9:00 Uhr aufs Wasser wollten. Alle Klamotten
pitschnass, die Hände waschfrauenmäßig weich, die Stimmung dementsprechend! Wir setzten Petrus ein Ultimatum: wenn es um 10:00 Uhr immer noch regnen sollte, wollten wir ihm zum Trotz… dennoch zu Wasser. Und siehe da: 10 Minuten vor 10:00 Uhr klarte es völlig auf; wir waren wiederum gerettet. Nach 1991 waren wir zum zweiten Mal auf der Saône; es hatte sich einiges verändert. So hatte man etliche Schleusen automatisiert, und wir durften nicht mehr wie seinerzeit die beiden ampelgesicherten Schiffstunnel befahren. In zwei abenteuerlichen Aktionen mussten wir die unverwüstliche „Kurhessen“ – nicht auseinander genommen – auf unserem speziellen Einachswägelchen und am Bug mit autotauglicher Kupplung bestückt im Schritttempo jeweils ein paar Kilometer über den Berg transportieren bis zu einer geeigneten Einsatzstelle hinter dem Tunnel. Wanderruderer-Technik der wirklich ganz besonderen Art! Dem Vernehmen nach verdanken wir (und alle anderen etwaigen Ruderer – wir haben keine gesehen) diese Erschwernisse einer größeren Gruppe von Berliner Booten mit offenbar chaotischen Besatzungen, die infolge rudertechnischer Defizite den übrigens regen Hausbootverkehr vor, in und hinter Schleusen und Tunneln gravierend lahm zu legen vermochten. Dabei konnten wir noch froh sein, dass wir überhaupt Dank Intervention von Kamerad Rüdiger Mohrstedt bei der Wasserbehördenchefin in Lyon eine Schleusengenehmigung erhalten hatten, welche wir auch öfter vor Schleuseneinfahrt vorzeigen mussten.
Einiges war aber auch noch so, wie wir es (von vor 20 Jahren) in Erinnerung hatten: beschauliche Ufer und malerische Örtchen wie Dole, Gray und Seurre. Doch besonders konnten wir uns über die Beobachtung der wunderschönen Eisvögel freuen, welche immer noch zahlreich ihre Bruthöhlen in den Lehmuferbereichen haben.
Bis herauf (vom Mittelmeer her gesehen) nach Chalon-sur-Saône kommen die riesigen Flusskreuzfahrtschiffe der Rhone. In Chalon verluden wir deshalb unser Boot, gegenüber die prächtige Stadtkulisse aus der Gründerzeit, etwas früher als eigentlich geplant, weil: siehe oben zum Thema tunnelbedingte Bergtouren! Am 21. August auf der Rückfahrt durch das Elsass sahen wir noch – dicht an der Autobahn – auf einer Wiese eine Ansammlung von mindestens 25 Störchen; der Sommer und eine ereignisreiche Wanderfahrt gingen zu Ende. Wohlbehalten kamen nach Hause Hanns-Dieter Gerdum, Wolfgang Reukauf, Rüdiger Mohrstedt, Gerd Leben, Karl-Heinz Saur, Rudi Meister als Chef vom Ganzen sowie der Chronist.
Peter Lipphardt