Die FISA – der internationale Ruderverband – schreibt jedes Jahr eine Ruderwanderfahrt in einem anderen Land aus. Im Jahr 2012 fiel die Auswahl auf Kanada, vom 25.8. bis 2.9.2012. Weil ich schon an einigen dieser Wandererfahrten teilgenommen hatte und es immer ein sehr schönes Erlebnis war, haben sich mein Sohn Martin und ich um eine Teilnahme beworben und hatten das Glück, eine Zusage zu erhalten. Martin buchte im Internet die Flüge nach Toronto als auch nach Sudbury, verschiedene Hotels, sowie einen Mietwagen ab Toronto für unsere 2000-km- Rundreise nach Beendigung der Wanderfahrt. Am 24. August flogen wir nach Toronto, und nach einer Stadtbesichtigung ging es weiter mit dem Flugzeug ca. 350 km zum Regionalflughafen bei Sudbury und mit der Taxe zum Hotel. Dort erhielten wir die Informationen über den Verlauf der Wanderfahrt: jeder der Teilnehmer bekam z. B. eine Liste, welche die Bootsnummern enthielt und an welchem Tag man mit welcher Besatzung eingeteilt war. Lediglich die Bootsführer waren immer im gleichen Boot, die Mannschaften wechselten aber jeden Tag, so dass die 60 Teilnehmer aus 15 Nationen schön durcheinander gewürfelt waren. Nach dem gemeinsamen Abendessen wurden wir am nächsten Morgen mit zwei großen Schulbussen 25 km weiter nach West Arm Lodge gebracht, wo wir für drei Tage unser Quartier bezogen. Schon bei der ersten Ausfahrt auf dem West Arm Lake durften wir das glasklare Wasser bewundern, genossen jeden Tag das herrliche Wetter bei 24-28° Lufttemperatur sowie eine atemberaubende Uferlandschaft mit Urwald und Felsen, welche durch eiszeitlichen Gletscherschliff geformt waren.
An allen Tagen auf den Northern Ontario Waters legten wir gegen Mittag am Seeufer an, wo uns eine reichhaltige und schmackhafte Mahlzeit erwartete. Nachmittags wurden die Tagestouren selbstverständlich mit einem erfrischenden Bad in dem herrlichen Seewasser beschlossen. Am vierten Tag unternahmen wir eine Besichtigungstour mit Bus zu einem Wasserfall am French River, und besichtigten eine Mühle, auf einer Erdspalte gebaut. Die nächsten vier Tage ruderten wir auf verschiedenen Seen und erreichten auf den stehenden Gewässern eine Gesamtleistung von 180 km bei Tagesetappen von ca. 30-45 km. Jeder ruderte nach seinen Fähigkeiten, keiner meckerte über die individuell verschiedenen Leistungen, aber jeder packte mit an, wenn es nötig war. Diese harmonische Gemeinschaft von 60 Ruderinnen und Ruderern lernte bei sommerlich schönem Wetter ein herrliches Stück Kanada kennen. Die Organisation durch die 10 Betreuer örtlicher Rudervereine – vom Transport über die Verpflegung bis zur Unterkunft – klappte hervorragend. Auch bekam jeder noch am Abschlusstag eine Erinnerungsbroschüre mit Fahrtbildern sowie eine CD, welche einen Film der Wanderfahrt enthielt. Am Abschlussabend in festlichem Rahmen bedankten sich die Teilnehmer der einzelnen Länder bei der Fahrtenleitung mit teilweise launigen Beiträgen.
Am nächsten Tag flogen mein Sohn und ich nach Toronto zurück und begannen dort mit einem Jeep als Mietwagen unsere private Rundreise. Erstes Ziel waren die Niagara-Wasserfälle, zwischen dem Erie-See und dem Ontario-See gelegen: bei herrlichem Sonnenschein sahen wir in der 55 m abstürzenden Gischt einen wunderbaren Regenbogen und staunten über die Ausdehnung des kanadischen Teils der Fälle, wesentlich größer als der amerikanische. Die Reise führte uns durch den kleinen aber idyllischen Ort „Niagara on the Lake“ weiter nordwestlich nach Tobermory, zwischen Huron-See und Georgian Bay gelegen. Große Hilfe leistete das Navigationsgerät für das Auffinden von Hotelunterkunft, Restaurant, Tankstelle und Lebensmittelmarkt. Die Straßen waren durchweg in gutem Zustand, bei 80 km/h erlaubter Höchstgeschwindigkeit.
Zurück ging es nordöstlich zum Algonquin-Nationalpark, einem weiteren Höhepunkt der Reise. Nach der Besichtigung einer eindrucksvollen Ausstellung, wo gezeigt wurde, wie man früher das Holz auf dem Wasserweg geflöst hat, unternahmen wir eine Wanderung von ca.15 km durch Urwald – so etwas habe ich noch nicht erlebt -Wurzeln, Steine, teilweise weglos, Orientierung durch farbige Punkte an den Bäumen, sehr abenteuerlich, und benötigten hierfür 5 Stunden. Im selben Park mieteten wir uns am nächsten Tag ein Kanu, mit welchem wir bei starkem Gegenwind den Opeango-See befuhren: rudern ist doch angenehmer. Nach der Besichtigung einiger Wasserfälle fuhren wir am nächsten Tag Richtung Osten nach Ottawa. Eine Besonderheit ist hier eine so genannte Schleusentreppe, zwölf (!) hintereinander liegende Schleusen überwinden den Höhenunterschied zwischen Fluss und See. Erstmals erlebten wir starken Regen und nutzten die Gelegenheit zur Besichtigung des hochmodernen Kunstmuseums, um anschließend nach Montréal weiterzufahren. Von unserem Hotel in der Nähe des Olympia-Geländes ausgehend erkundeten wir in den nächsten zwei Tagen die sehenswerte Stadt, eine Stadtrundfahrt ist hier empfehlenswert, um in 3 Stunden alles Wesentliche zu sehen, einschließlich Kurzbesichtigungen. Eine Attraktion ist der schiefe Turm auf dem Olympiagelände, der ist 75 m hoch und hat eine Neigung von 45 Grad. Der Fahrstuhl liftete uns zu einer Aussichtsplattform, von dort hatten wir einen sehr schönen guten Rundumblick auf die imposante Stadt. Montréal hat aber noch eine sehenswerte Besonderheit: der gesamte Stadtkern ist praktisch unterkellert – mit allen Geschäften und Lokalen, die man sich nur denken kann. Im Winter bei minus 25 – 30 °C Kälte kommen viele Einwohner gar nicht ans Tageslicht. Nach diesen beiden Tagen Abflug Richtung Frankfurt und ab nach Kassel. Alles in allem eine wunderschöne Reise, die ich mit meinem Sohn machen konnte.
Rudi Meister