Eigentlich hatten wir mit unserer sechstägigen Rheinwanderfahrt schon etwas für unsere Wanderruderstatistik in diesem Jahr getan. Wir – das sind Johanna und Roland Wenzel, Jochen Meier und ich, Dieter Haß. Langfristig stand eine Rudertour auf dem Finowkanal auf meiner Wunschliste, aber nicht mehr für 2021.In einem Telefongespräch mit einem Freund aus Eberswalde, mit dem ich schon im Kindergarten gemeinsam gespielt hatte, erwähnte ich dies. Er ist Mitglied im Verein „Unser Finowkanal e.V.“ und konnte mir deshalb mitteilen, dass im Jahr 2022 mit der Renovierung der Schleusen begonnen werden sollte, was dann eine problemlose Befahrung des Kanals für mehrere Jahre unmöglich macht. Inzwischen wurde diese Maßnahme aber um ein Jahr verschoben.
So reifte schnell der Plan, diese Fahrt noch in diesem Jahr durchzuführen. Für mich stand dabei die Befahrung des Werbellinsees und eine Passage durch das Schiffshebewerk Niederfinow zusätzlich auf der Wunschliste. So fragte ich bei den Wanderfahrern, mit denen wir harmonische Tage am Rhein verbracht hatten, ob sie Interesse hätten. Schnell war ein Termin gefunden, doch die Detailplanung gestaltete sich dann doch komplizierter als gedacht. Die Fahrt sollte am Werbellinsee beginnen, durch den Werbellinkanal, der den Oder-Havel-Kanal kreuzt, zum Finowkanal führen. Von dort ging es dann auf dem Finowkanal in Richtung Oderbruch und dann als Höhepunkt zum Schiffshebewerk Niederfinow. Als festes Quartier wurde der Marina-Park in Eberswalde gewählt, der sich auf dem Gelände eines ehemaligen Freibades befindet.
Über den Finowkanal kann man im Gewässerkatalog des DRV nachlesen:
Der Finowkanal ist eine der ältesten Wasserstrassen Deutschlands. Der erste Kanalbau fand bereits von 1605 bis 1620 statt mit insgesamt 20 Schleusen. Durch den Dreißigjährigen Krieg verfiel das Bauwerk jedoch nahezu vollständig und geriet fast in Vergessenheit. Erst 1743 begann man aufs Neue mit dem Kanalbau und am 16. Juni 1746 wurde der zweite Finowkanal durch ein mit 100 t Salz beladenes Fahrzeug eröffnet. Bei seiner Einweihung besaß er zunächst 10 Schleusen, bis 1767 kamen jedoch nach 5 weitere dazu. Nach ca. 100 Jahren wurden die Schleusen nach und nach erneuert und in dieser Form bestehen sie heute noch. Die älteste Finowkanalschleuse befindet sich in Eberswalde, sie trägt das Entstehungsdatum 1831.
Die Schleusen haben eine Länge von 40,80 m und eine Breite von 9,42 m und wurden für jeweils zwei „Finowmaßkähne“ konzipiert. Der Kanal wurde zum großen Teil im Flussbett des Flüsschen Finow gebaut und erhielt dadurch auch seinen Namen.
Über ELWIS, dem Elektronische Wasserstraßen-Informationsservice der deutschen Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, ließ ich mich über die aktuelle Situation an der Fahrtstrecke ständig informieren. Dann kamen die Probleme: Wegen einer einsturzgefährdeten Brücke wurde ein Abschnitt des Kanals plötzlich bis zum Saisonende durch das WSA gesperrt. Eine Kontaktaufnahme mit dem Vorsitzenden des Vereines „Unser Finowkanal e.V.“ ergab, dass hierdurch auch das Jahrestreffen des Deutschen Dampfboot-Vereines auf dem Finowkanal gefährdet sei. So wurden vor Ort einige Hebel in Gang gesetzt, die Brücke abgerissen und die Strecke wieder passierbar gemacht.
Irgendwo beim Übergang vom Werbellinkanal zum Finowkanal sollte das Ziel der ersten Etappe unserer Drei-Tage-Fahrt sein. Eine Lagerung des Bootes an der ersten Schleuse Ruhlsdorf im Finowkanal wurde vom WSA verweigert. Schließlich fand sich eine Möglichkeit, in Marienwerder – eine Schleuse weiter – bei einem Bootverleiher unsere Werra übernachten zu lassen.
Dann ging es um das Schiffshebewerk: Bei dem größten Schiff-Fahrstuhl Europas sollte eine Besichtigung nicht fehlen. Ich mache es kurz: Eine zweistündige Führung nach 16 Uhr kollidierte mit unseren zeitlichen Möglichkeiten, aber auch die angedachte Besichtigung scheiterte später am Zeitmangel. Schade! Die Fahrt durch das Schiffshebewerk mit seine 36 m Höhenunterschied glich das aber später wieder mehr als aus.
Unser Gig-Doppelzweier m. St. ist ein altes Wanderboot aus der Zeit, als in Eberbach noch solche Boote gebaut wurden. Er ist teilbar und somit bequem auf einen kleinen Anhänger zu verladen.
Angekommen beim Marina-Park bezogen wir in den ehemaligen Umkleidebereichen des Freibades unsere sehr schön hergerichteten Apartments. Das Abendessen konnten wir dann sehr genießen. Es gab Schnitzel mit und ohne Spiegelei: Wir waren froh, trotz des zweistündigen Staus angekommen zu sein.
Am ersten Rudertag fuhren wir mit unserem Rudermobil zur Marina am Werbellinsee. Zehn Euro sollten wir für die Benutzung der Slip-Anlage bezahlen! Egal! Wir hatten zu Diskussionen keine Lust.
Zunächst fuhren wir ganz an den Anfang des Sees am Rande Schorfheide, wo Walter Ulbricht und Erich Honecker zur Jagd gingen und Staatsgäste empfingen, und dann mit ein paar Schlenkern zur ehemaligen Pionierrepublik „Wilhelm Pieck“ und zum Ausflugsziel Altenhof in Richtung Werbellinkanal. Die beiden Schleusen Eichhorst und Rosenbeck sind Selbstbedienungsschleusen. Es gibt nur das Problem, dass diese nur zu bestimmten Zeiten die Schleusung ermöglichen. Bei der zweiten Schleuse mussten wir weit mehr als eine Stunde warten, weil diese Schleuse uns erst um 16 Uhr uns passieren ließ. Angeblich soll dadurch eine Absenkung des Pegels im Werbellinsee verhindert werden, eine für uns in diesem Moment nicht nachvollziehbare Argumentation.
Nachdem wir auf dem Werbellinsee schon wegen des Gegenwindes nicht so flott unterwegs waren, konnten wir unser Etappenziel Marienwerder nun nicht mehr erreichen. Ich selbst hatte gerade Landdienst und fand auf verborgenen Wegen eine Möglichkeit, das Boot an Land zu holen und auf einem nicht einsehbaren Platz abzulegen.
Das Abendessen im Marina-Park mit Hirschgulasch schloss einen interessanten Tag ab: Der windige, aber trotzdem ruhige Werbellinsee und der neu hergerichtete Werbellinkanal mit der Überquerung des Oder-Havel-Kanals haben sehr unterschiedliche Eindrücke hinterlassen.
Am zweiten Tag hatten wir nun statt sieben insgesamt neun Schleusen vor uns. Doch die Kommunikation zwischen den Schleusenwärtern war so gut, dass wir bis auf eine Ausnahme immer eine geöffnete Schleuse vorfanden und zügig von den freundlichen Schleusenwärtern und einer -wärterin durchgeleitet wurden. Super! Allerdings befinden die Bauwerke sich wirklich in einem bedauernswerten Zustand. Der Finowkanal ist nur halb so breit wie unsere Fulda. Er führt durch naturbelassene Wälder und auch an Industrieruinen vorbei. Im Messinghafen in Finow war der Landdienstwechsel geplant. Hier wurde 1945 das modernste Warmbad-Walzwerk der DDR aufgebaut und bis 2012 betrieben. Die Ursprünge reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück. Unser Landkommando war rechtzeitig vor Ort und konnte so noch einige der Dampfboote bewundern, mit denen wir ansonsten keine Überschneidungen hatten.
Dann ging es unter der Teufelsbrücke hindurch zurück auf den Finowkanal. Auf dieser Brücke haben sich Theodor Fontane und Emilie Rouanet-Kummer im Dezember 1845 die Ehe versprochen. Da war sie aber noch Bestandteil der Weidendammer Brücke zu Berlin.
Abends trafen wir uns mit dem Freund aus Eberswalde und seiner Frau in der Alten Brauerei. Es gab Essen à la carte: Wir erinnerten uns an einen Kanal, der überhaupt nicht so aussah, an neun Schleusen aus dem 18. Jahrhundert, abwechslungsreiche Ufer.
Nur noch drei Schleusen bis zum Oder-Havel-Kanal trennten uns am dritten Tag vom Schiffshebewerk. Im Gegensatz zu allen anderen Schleusenwärtern machte der an der letzten Schleuse, der Lieper Schleuse, einen etwas mürrischen Eindruck. Egal! Die Warteposition vor dem Schiffshebewerk war erreicht.
Hier geht es nicht so schnell. Mit 12 cm je Sekunde werden die 36 m überwunden. Mit vier Motoren mit nur je 55 kW wird der 94 m lange und 27 m breite Trog mit 4290 t dank der Gegengewichte problemlos bewegt. 1934 wurde dieses Bauwerk nach fast dreißigjähriger Vorbereitung in Betrieb genommen. Es ist schon ein besonderes Gefühl, im Boot ohne die sonst üblichen Strömungen einer Schleuse, diesen Höhenunterschied zu bezwingen.
Das neue Schiffshebewerk wird 115 m Nutzlänge bei 4 m Wassertiefe mit 9800 t Gewicht haben. Ob die Öffnung noch in diesem Jahr stattfinden wird, ist mir nicht bekannt.
Da wir aber auf das Besichtigungsprogramm verzichteten, konnten wir im Oberwasser zwei Kilometer vom Hebewerk entfernt einen Wechsel des Landdienstes vornehmen und wieder abwärts starten. Doch zuerst musste wieder ein Leichter eines Schubverbandes an Seilen aus dem Hebewerk gezogen werden, bevor es nach dem nächsten Hubvorgang wieder mit dem Schubverband verbunden wurde. Das kostet Zeit.
So erreichten wir die Stecher-Schleuse, die vorletzte Schleuse vor Eberswalde, erst zum Dienstschluss. Die Überlegungen zu möglichen Alternativen für die Weiterfahrt beendete der Schleusenwärter mit dem Hinweis: „Wenn ihr euch beeilt, schleuse ich euch an der Ragöser Schleuse noch durch.“ Hurra! Glücksgefühle!
Zum Abendessen gab es Sauerbraten italienischer Art – wo gibt es das sonst noch?
Für das Verladen des Bootes fehlte dann die Motivation, doch war das am Abreisetag zügig erledigt.
Zufrieden kehrten wir ohne Staus zurück zur heimischen Fulda, wohin uns nach einigen Tagen noch ein mehr als halbseitiger Bericht in der Märkischen Oderzeitung über unsere Wanderfahrt zugesandt wurde.
Dieter Haß